Unsere neue FSJ-lerin stellt sich vor:
17.08.2016TSV Griedel nimmt am Karl-Hoffmann-Cup der HSG Dilltal teil
23.08.2016Reiseimpressionen aus dem Wilden Osten Tschechiens von Stephan de Groote
Ahoj sagt der Tscheche zur Begrüßung, Ahoj ruft er zum Abschied. Dabei liegt Tschechien aber an gar keinem Meer. Wie erklärt sich also die weite Verbreitung des maritimen Ahoj im Tschechischen? Wir sind dieser Frage nachgegangen und haben dazu auch ausgiebig vor Ort recherchiert. Manche sagen, dass es ein tschechischer Matrose war, der seinen heimatlichen Gruß über die Weltmeere trug. Diese Erklärung ist gewiss sehr hübsch und poetisch. Sie stimmt aber nicht, denn das nautische Ahoj lässt sich in englischen Texten bis zu den Zeiten Shakespeares zurückverfolgen und von einem Tschechen ist dort nirgendwo die Rede. Viele andere suchen und finden den Grund für die Dominanz des Ahoj in Böhmen und Mähren in der tschechischen Seele, in einem unbestimmten Fernweh und dem Wunsch, als Ersatz für das schmerzlich vermisste Meer geradezu manisch ganze Ozeane von Bier auszutrinken, bis zu später Nachtstunde (es kann aber auch eine frühe Morgenstunde sein) der böhmische Wellenschlag in den Köpfen rauscht. Auch uns erscheint diese Erklärung durchaus plausibel. Auf das mit den Ozeanen von Bier und dem Wellenschlag werden wir jedenfalls in diesem Reisebericht später noch einmal zurückkommen.
Begründet wurde die Partnerschaft zwischen dem SKP Frýdek-Místek, dem dortigen Handball-Verein, und dem TSV Griedel schon im Jahre 2000. Im Grunde kam der TSV Griedel zu ihr wie die sprichwörtliche Jungfrau zu ihrem Kind. Das tschechische Frýdek-Místek zählt immerhin um die 70.000 Einwohner und ist damit aus Griedeler Sicht geradezu eine Metropole, sein Handball-Verein, besagter SKP, war bereits tschechischer Meister. Mit unserem wackeren, aber doch recht kleinen TSV wollen die bestimmt keine Partnerschaft eingehen, sagten sich daher auch die Verantwortlichen des TSV Griedel, als sie 2000 eher aus Neugierde zu einem Informationsabend gingen, den die Stadt Frýdek-Místek
Marktplatz von Frýdek
im Mittelhessischen veranstaltete, um Partnervereine zu gewinnen. Aber, siehe da, unsere TSVler waren die Einzigen, die der Einladung der Stadt Frýdek-Místek gefolgt waren. Und dies war, um es mit den Worten von Humphrey Bogart zu sagen, der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Gewiss liegt es auch nicht zuletzt an der Partnerschaft mit dem SKP Frýdek-Místek, dass der TSV Griedel seitdem zum dominierenden Handball-Verein im gesamten Gebiet zwischen Butzbach, Gambach und Oppershofen aufstieg. Ihrem ersten Besuch in Frýdek-Místek im Jahre 2003 sahen die Griedeler aber noch mit einem gewissen Unbehagen entgegen, war der Osten Tschechiens – dort im Dreiländereck an der Grenze zu Polen und der Slowakei liegt Frýdek-Místek – damals doch für sie doch noch ein tiefschwarzer Fleck auf der Landkarte, weit weniger vertraut wie, sagen wir, Mallorca oder die Toskana. Würde man sich dort, fragten sich damals noch die Griedeler besorgt, verständlich machen können? Würde es dort so schmecken wie bei Muttern? Gäbe es dort vielleicht, und dies war gewiss die allergrößte Befürchtung der Griedeler, Vorbehalte oder Animositäten gegen sie wegen der leidvollen Geschichte? Würden die Funktionäre des TSV dort wegen ihrer Herkunft und noch mehr wegen ihrer Leibesfülle nur šnitzl genannt werden? Alle diese Befürchtungen erwiesen sich dann aber als völlig gegenstandslos. Die Griedeler wurden sofort mit offenen Armen empfangen, mit großer Herzlichkeit und nicht minder großer Neugier. Seitdem verging kein Jahr ohne Besuche und Gegenbesuche (immer mit handballbegeisterten Jugendlichen), tiefe Freundschaften wurden begründet und das gegenseitige Verständnis wuchs von Besuch zu Besuch, nicht aber, wie wir zutiefst beschämt eingestehen müssen, unser Verständnis für die tschechische Sprache. Das macht aber überhaupt nichts, sind die Tschechen doch sehr stolz darauf, eine der weltweit wohl kompliziertesten Sprachen zu sprechen. Das Deutsche mit seinen gerade mal vier grammatikalischen Fällen kann verglichen mit dem Tschechien mit seinen sieben Fällen, die auch noch in der gesprochenen Sprache anders angewandt werden wie in der geschriebenen, womit wir also bereits bei vierzehn Fällen wären, auf niemanden wirklich Eindruck machen, das Englische mit seinem geradezu lachhaften einen einzigen Fall noch weit weniger.
Am 06. August brachen die Griedeler (21 junge Handballer im Alter von 16 bis 24 Jahren mit ihren Betreuern und handballbegeisterten Eltern) mit einem eigens angemieteten Reisebus für eine Woche nach Frýdek-Místek auf.
Im Fußballstadion von Frýdek-Místek
Wieder hatten die Frýdek-Místeker für ihre „Griedelfreunde“ ein höchst umfang- und abwechslungsreiches Besuchs- und Besichtigungsprogramm ausgearbeitet. Es umfasste den Besuch des liebevoll eingerichteten Heimatmuseums in Schloss Frýdek, der Radegast-Brauerei, des Olympiadorfes in Ostrava, der mittelalterlichen Burg Hukvaldy und einen herzlichen Empfang durch den
stellvertretenden Bürgermeister mit anschließender großzügiger Bewirtung mit einem drei Gänge Menu durch die Stadtoberen von Frýdek-Místek.
Empfang beim Bürgermeister (Mitte) der Stadt Frýdek-Místek
Viele Freizeitaktivitäten gab es auch, vom Go-Kart-Fahren über Bowling bis zum Grillen und dem vergnügten Planschen im Aquapark. Handball wurde natürlich auch gespielt.
Präsentationsspiel zwischen SKP Frýdek-Místek und dem TSV Griedel im Olympiapark von Ostrava
Zwei Abende verbrachten die Jugendlichen bei tschechischen Gastfamilien. Für die Erwachsenen stand an mehreren Abenden der tschechische „Klassiker“ auf dem Programm, der Besuch von einer Kneipe nach der anderen. Literaturliebhaber wissen, dass die große tschechische Literatur fast ausschließlich aus der Wiedergabe von Kneipengesprächen besteht, was ihr ihre einzigartige metaphysische Tiefe verleiht. Auch in Frýdek-Místek ist die Kneipendichte sehr hoch. Mit wissenschaftlicher Akribie haben die Griedeler (die Erwachsenen unter ihnen, wohlgemerkt!) die Kneipenszene von Frýdek-Místek erforscht und sie können die dortigen Kneipen nunmehr in die nachfolgend näher beschriebenen Kategorien einteilen. Die nachstehende Aufzählung erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
1.) Futuristische Bars, in denen sich der Gast wie in der Kommandozentrale von Raumschiff Enterprise fühlt.
2.) Trendige Bars in stillgelegten Fabrikhallen. Sie zeugen von der glanzvollen industriellen Vergangenheit Frýdek-Místeks, aber auch von dem Strukturwandel in der einstigen tschechischen Bergbau- und Stahlindustrie, der die Region um Frýdek-Místek und das nahe gelegene Ostrava (dem früheren stählernen Herz der Republik) besonders hart traf. Manche dieser Gebäude der Schwerindustrie in Frýdek-Místek (im Ruhrgebiet würde man sie Kathedralen der Industriekultur nennen) sind heute Orte der Kultur geworden. Sie riechen aber noch heute nach Arbeit, nach Maschinen, nach Motorenöl und nach Malocherschweiß und dies macht gewiss auch ihren großen Reiz aus.
3.) Altehrwürdige Ratskeller und Cafés mit ihrem Interieur aus den Zeiten des guten alten Kaisers Franz, wo ergraute Kellner vom alten Schlag deftige tschechische Gerichte und frisch gezapftes Bier in großen Krügen servieren. Die traditionelle tschechische Küche ist, nebenbei bemerkt, sehr fleisch- und kalorienlastig und das wird sie wohl auch immer bleiben, denn das viele Bier braucht schließlich eine Grundlage.
4.) Viele einfache Kneipen, in denen kreative junge Leute knappe Finanzmittel mit Phantasie und gutem Musikgeschmack mehr als wettmachen. Beispielhaft für diese Gattung sei Die schwarze Katze in Frýdek-Místek genannt.
5.) Abhängschuppen für Heranwachsende mit wummernder Rock- und Techno-Musik.
6.) Zwielichtige Vorstadtkneipen. Sie sind legendär für ihren dichten Zigarettenqualm und wirken noch heute wie Bergarbeiterkneipen. Dort gingen früher der Bergmann und der Malocher hin, nicht zum Quatschen, sondern um erschöpft von der harten Arbeit ihren Lohn zu vertrinken. Es wird in ihnen also viel getrunken und wenig geredet. Das Essen ist dort eher Nebensache und die – allerdings auch sehr überschaubare – Speisekarte ist ausschließlich auf Tschechisch abgefasst, das Ihnen dort auch niemand übersetzt. Wenn Sie aber Dršt´ková polévka bestellen, können Sie überhaupt nichts falsch machen, denn dies ist die höchst leckere mährische Kuttelsuppe. Und das Bier ist dort immer ganz frisch gezapft, es mundet vorzüglicher als in manchen hiesigen Gourmettempeln.
So konnten sich denn auch die Griedeler einen Teil des eingangs erwähnten riesigen tschechischen Ozeans einverleiben und sie verstehen jetzt besser, warum Tschechien mit weitem Abstand vor Deutschland Weltmeister im Pro-Kopf-Verbrauch von Bier ist, wenn auch der Beitrag deutscher Touristen in Tschechien zu dieser Erfolgsgeschichte gewiss nicht gering geschätzt werden sollte. Gelacht wurde dabei auch sehr viel, denn Tschechien ist nicht nur weltberühmt für sein Bier oder sein Eishockey, sondern auch für seinen Humor, den wir aus Die Abenteuer des braven Soldaten Schweijk, von Pan Tau oder den Marionetten Speijbl und Hurvinek kennen, jene Mischung aus Schrulligkeit, Selbstironie, Absurdität bis hin zum Grotesken und innerer Rebellion, die sich hinter vordergründigem Gehorsam verbirgt und die es den Tschechen erlaubte, ihr Leben in den langen Jahrhunderten der Fremdbestimmung bis hin zu den Jahrzehnten der Sowjetherrschaft etwas erträglicher zu gestalten und die von dem beständigen Wissen getragen ist, zu dem kleinen Volk eines kleinen Landes inmitten von Europa zu gehören. Natürlich wurde auch, wie hätte es auch anders sein können, sehr viel über Sport gesprochen, etwa über die Dortmunder Fußballheroen Jan Koller und Tomáš Rosický aus Tschechien oder darüber, dass Tschechien 1976 in Belgrad Europameister wurde, weil Uli Hoeneß seinen Elfer in die Wolken drosch, ein für ihn zutiefst traumatisches Erlebnis, das er später mit Erfolgen an der Börse zu kompensieren versuchte, auch recht glücklos. Bei solch traurigen Geschichten stellt sich dann auch leicht das typisch tschechische Lebensgefühl ein, diese sehnsuchtsvolle, durch Humor und Selbstironie abgemilderte Melancholie, die Milan Kundera einmal Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins nannte. Tschechen bringen dieses Gefühl gerne mit dem Sprichwort Život je pes, Das Leben ist ein Hund, auf den Punkt und sie meinen es damit überhaupt nicht böse.
Der tief empfundene Dank aller Beteiligten gebührt wieder einmal den Frýdek-Místekern für ihre übergroße Gastfreundschaft, insbesondere unseren innigen Freunden Kejno, Martin, Adela und Tomáš. Und unserem sympathischen Busfahrer Hans für seine unerschütterliche Willenskraft, musste er doch als einziger immer nüchtern bleiben.
Abschlussbild vor der Abfahrt