Integration durch Sport beim TSV Griedel

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Auch im Hessischen Handball-Verband (HHV) spielt Integration durch Sport eine wichtige Rolle. Beispielhaft für dieses Thema ist das Engagement des TSV Griedel.

Lena Wawrzinek (Vorstandsmitglied, TSV Griedel) und Jürgen Weiß (Abteilungsleiter Handball, TSV Griedel) nahmen sich freundlicherweise die Zeit, um in einem Interview mit Thomas Löffler (Referent der Geschäftsführung HHV) Einblicke in die tägliche Arbeit des Vereins zu gewähren.

Thomas Löffler:

Mohammad Farouk  Almohamad aus Syrien (ein Gewinner unseres vergangenen Weihnachts-Special), der neben dem Handballspielen auch Trainer und Schiedsrichter beim TSV Griedel ist, ist ein Musterbeispiel für gelungene Integration in Ihrem Verein. Wie kam er denn zu Ihrem Verein und wie lief der Integrationsprozess ab?

Lena Wawrzinek:

Im Jahr 2016 hat Farouk mit seinem Bruder und zwei Schwestern an einem Probetraining teilgenommen, zu dem der TSV Griedel Flüchtlingskinder eingeladen hatte. Danach zeigte er großes Interesse und kam zum Training der Jugendlichen. Gleichzeitig nahm der TSV durch das Abholen und nach Hause bringen mit den Eltern Kontakt auf. Es wurden treffen bei der Familie abgehalten, sodass ein enger Kontakt entstand. Es zeigte sich, dass gerade Farouk sehr interessiert am Handball ist, er sich aber auch immer anbot zum Helfen, wenn etwas zu tun war. Sein Auftreten innerhalb der Mannschaften führte schnell zu einer Akzeptanz und auch die Eingliederung in den Aktiven Bereich fiel nicht schwer, da er, aber auch seine Mitspieler sich gegenseitig Wert schätzten. Es gibt Besonderheiten, die zu einer Integration wichtig sind: Akzeptanz, dass Mannschaftskollegen nicht mitduschen, keinen Alkohol trinken und einer anderen Religion angehören. Auch seine Eltern und Geschwister waren und sind immer noch durch Personen aus dem Vorstand eng verbunden. Es wurde der Familie bei der Suche nach einer Wohnung sowie Möbel, einem Arbeitsplatz (Mutter ist bei der Stadt als Kindergärtnerin beschäftigt) und einer Praktikumsstelle (Farouk war bei der Kerkhoff Klinik) geholfen. Durch ein Vorstandsmitglied konnte die Familie einen Garten in Griedel bewirtschaften. Akzeptanz und Verständnis sind sehr wichtig dazu kommt und kam bei Farouk der Wille, dem TSV auch was zurückzugeben.

Jürgen Weiß:

Im vergangenen Jahr hat Farouk seine Schiedsrichterprüfung abgelegt und ist wohl einer der ersten syrischen Handballschiedsrichter in Deutschland.

Thomas Löffler:

Gibt es denn ein Integrationskonzept in Ihrem Verein bzw. wie steuern Sie das Thema „Integration durch Sport“ in Ihrem Verein?

Jürgen Weiß:

Im Rahmen seines Integrationskonzeptes „Sport ohne Grenzen“ lädt der TSV Griedel Flüchtlingskinder seit 2016 zu einem Kennenlernen und sportlicher Betätigung ein. Ziel sollte es sein, den in der Stadt Butzbach angekommenen geflüchteten Kinder und Jugendlichen über Handball bzw. allgemeine Sportangebote eine Perspektive zu bieten und durch Sport in Kontakt mit Kindern in ihrem Alter zu kommen. Wir haben Flüchtlingskinder in unserem Verein und machen immer wieder Angebote, damit die Integration der Kinder noch schneller und besser erfolgt.

Lena Wawrzinek:

Unser Verein heißt ALLE willkommen, Offenheit, Integration und Solidarität sind Werte, die uns wichtig sind. Als Verein übernehmen wir soziale Verantwortung und engagieren uns über den Sport hinaus. Wir haben attraktive, zielgruppenorientierte Angebote und sind offen für neue Ideen und Projekte. Im TSV Griedel können sich alle einbringen und mitgestalten. Des Weiteren gibt es eine enge Zusammenarbeit mit der Berufsschule Butzbach und ihren Integrationsklassen durch den dortigen Schulsportleiter, der ebenfalls Vorstandsmitglied des TSV Griedels ist.

Thomas Löffler:

Erhalten Sie für Ihre Integrationsarbeit Unterstützung vom Landessportbund Hessen bzw. seinen Untergliederungen? Arbeiten Sie mit weiteren Behörden/Organisationen zum Gelingen der Integrationsarbeit zusammen?

Lena Wawrzinek:

Wir bekommen Unterstützung durch das Bundesprogramm „Demokratie Leben“ und dem Landessportbund Hessen, indem wir Fördermittel für Sportstunden und Ausflüge mit Geflüchteten erhalten.

Jürgen Weiß:

Die Stadt Butzbach unterstützt von Anfang an das Projekt „Sport & Flüchtlinge“, das die Stadt Butzbach in Verbindung mit dem Landessportbund Hessen befähigt, Vereine finanziell für ihre Integrationsarbeit zu unterstützen.

Thomas Löffler:

Wie viele Personen mit Migrationshintergrund sind in der Handballabteilung Ihres Vereins bereits integriert?

Jürgen Weiß:

Wir haben in der Handball-Abteilung 34 Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund und bei den Aktiven sind es 10.

Thomas Löffler:

Welche praktischen Tipps können Sie anderen Vereinen im Hessischen Handball geben, die das Thema „Integration durch Sport“ bei sich auch umsetzen möchten?

Lena Wawrzinek:

Vereine sollten sich erkundigen, ob auch in ihrer Kommune das Bundesprogramm „Demokratie Leben“ oder Ähnliches umgesetzt wird, um Fördermittel erhalten zu können. Schulen mit Integrationsklassen sind oftmals dankbar, Sport über einen Verein anzubieten. Hier sollte man eng mit den ortsansässigen Schulen zusammenarbeiten.

Jürgen Weiß:

Wichtig ist es, die Zusammenarbeit mit den Kommunen und den Verbänden zu suchen. Natürlich ist auch der Einfallsreichtum gefragt. Drei Beispiele, die für viele Ideen stehen, die wir in den letzten Jahren umgesetzt haben:

Integration durch gemeinsamen Sport: Die Sportstunden, die von unserem Übungsleiter gestaltet werden, finden in Kooperation mit der beruflichen Schule Butzbach statt. Hierbei werden zwei Integrationsklassen möglichst im Anschluss an ihren Unterricht komplementiert in ihrem Stundenplan, jeweils in zwei Doppelstunden pro Woche zu sportlichen Aktivitäten angeleitet. Zurzeit kommen stetig neue Spielerinnen und Spieler mit wenigen bis gar keinen Deutschkenntnissen aus verschiedensten Ländern in die Integrationsklassen. So können sie sich bei Sportspielen schneller und besser kennen lernen. Die jugendlichen Flüchtlinge erleben durch unseren Übungsleiter Mohammad Farouk Al Mohamad ein positives Beispiel der guten und schnellen Integration in unserer Region und als Bindeglied zu weiteren Aktivitäten im Verein/in der Gesellschaft. Der gemeinsame Sport, soll ein Antrieb sein, um Zusammenkommen und Kontakte zu knüpfen. Damit wollen wir fördern, dass „neue Mitglieder“ in unserer Gemeinde sich auch in die Gesellschaft integrieren und sich mit der Zeit auch dazugehörig fühlen, so wie Farouk.

Wir versuchen seit 2015 mit Ideen den Flüchtlingen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Der TSV Griedel hatte über eine Zeitungsannonce eine Wohnung für eine Flüchtlingsfamilie aus Syrien gefunden. Die Familie Mohamad aus Syrien ist ein Musterbeispiel von gelungener Integration. Alle fünf Kinder der Familie Mohamad sind sportlich aktiv beim TSV Griedel und schon hervorragend integriert. Nach dem das Problem „Wohnung“ gelöst war, ging es darum, die Familie Mohamad mit Möbeln zu unterstützen. Der TSV Griedel nutzte seine sehr guten Beziehungen zu der Opti-Wohnwelt in Griedel (Sponsor des TSV Griedel) und Herr Pollmann, Leiter der Opti-Wohnwelt in Griedel, war sofort bereit zu Helfen. Die Opti-Wohnwelt stellte der Familie Mohamad zahlreiche Möbel zur Verfügung. Mit Hilfe von Vereinsmitgliedern wurden die Möbel abgeholt und in die neue Wohnung transportiert. Der TSV Griedel und die syrische Familie Mohamad bedanken sich bei der Opti-Wohnwelt und bei Herrn Pollmann, sowie bei allen ehrenamtlichen Helfern für den Transport und dem Aufbau der Möbel. Weitere Hilfe kam auch von vielen Vereinsmitgliedern des TSV Griedel, die Decken, Geschirr und andere Gegenstände für die Familie Mohamad spendeten. Das Beispiel zeigt, wenn der Integrationswille auf allen Seiten vorhanden ist, werden wir die Aufgabe in unserem regionalen Umfeld bewältigen. Der TSV Griedel wird sich auch in der Zukunft, in Zusammenarbeit mit der Stadt Butzbach, an der Integrationsarbeit beteiligen.

Der TSV Griedel engagiert sich seit Jahren auf verschiedenen Ebenen bei der Flüchtlingshilfe. Aktuell besuchte die männliche A- und B-Jugend des TSV Griedel, zusammen mit etwa gleichaltrigen Geflüchteten, das letzte Heimspiel der HSG Wetzlar gegen den derzeitigen Tabellenführer der Handball Bundesliga, Hannover- Burgdorf. Nach dem Spiel konnte man in 40 begeisterte Gesichter blicken, die mitgerissen von dem spannenden Spiel, diskutierten, warum das Spiel letztendlich mit einem gerechten Unentschieden endete. Sport überwindet Barrieren, das wurde auch an diesem Tag deutlich sichtbar. Vielen Dank an die HSG Wetzlar für das spannende Spiel und Demokratie Leben für die Förderung der integrativen Begegnung!

Zum Schluss noch praktische Tipps für die Zusammenarbeit mit den Flüchtlingen:

  • Ehrliches Interesse zeigen
  • Eine erste Ablehnung (aufgrund von traumatischer Erlebnisse und Unsicherheiten etc.) akzeptieren, aber Kontaktmöglichkeit jederzeit weiterhin ermöglichen
  • Feste Ansprechpartner vermitteln – Akzeptanz, Verbindlichkeit und Sicherheit
  • Bereitschaft: Kinder zu den Trainings zu fahren und ihnen den Weg zu zeigen und immer wieder an das „Einhalten der Vereinbarung“ zum Training etc. zu gehen, erinnern
  • Offenheit: Kontakt zu den Eltern aufbauen und deren Einladungen zum Kennenlernen annehmen
  • Sport bedarf keiner großen Worte – Sprachbarriere kann mit Mühe und Willen überwunden werden.

Thomas Löffler:

Herzlichen Dank, dass Sie sich für ein Interview mit uns Zeit genommen haben und uns spannende praktische Einblicke in die Thematik „Integration durch Sport“ gegeben haben!